Sonntag, 26. April 2015

Berlin, Berlin, wir fahren nach Berlin

Wer mich kennt der weiß, dass ich persönlich nichts gegen Großstädte habe, solange sie da bleiben, wo sie sind und mich nicht belästigen. Nachdem Großstädte dies aufgrund profunder Immobilität ja nun zu tun pflegen, existieren wir allgemein friedlich nebeneinander her.

Also, nicht direkt nebeneinander. Schon mit Abstand. So ein paar Hundert Kilometer. Siewissenschon.

Manchmal lässt sich dieser Abstand aber Aus Gründen™ nicht aufrecht erhalten und dann komme ich immer wieder frisch zu einer Erkenntnis, die ich ohnehin schon seit Jahren hege: Alle! Bekloppt!

 

Warum überhaupt? – Das Briefing

Ich arbeite seit ein paar Jahren für eine Firma, die es mir ermöglicht, ein-/zweimal im Jahr Fortbildungen/Seminare zu besuchen. Das erfreut mich und ich halte dies allgemein für eine sehr gute Idee. Aufgrund ihrer Natur finden diese Seminare gerne mal in Großstädten wie München, Düsseldorf oder Berlin statt und das Reisemittel der nicht wirklichen Wahl ist die Bahn.

Nun pflegte MutterKatz mich in Kindheit und Jugend regelmäßig per Bahn in die alte Heimat im Norden zu schleppen und eine Bahnfahrt mit MutterKatz ist genauso wunderwunderschön, wie sich erfahrene Leser des Blogs das vorstellen. Ich musste stumm und starr auf meinem Platz sitzen und möglichst flach atmen, um MutterKatz' Konzentration nicht zu brechen. Denn schließlich ist so eine Bahnfahrt ein höchst kompliziertes Unternehmen, das innerhalb einer Sekunde kippen und in Angst, Entsetzen und Pandämonium enden kann! Und dann sind wir alle tot und kommen nie wieder nach Hause! NIE!

Beschwerte ich mich über Langeweile, bekam ich zur Antwort „Guck doch mal aus dem Fenster! Guck mal, ein Baum!“ (An dieser Stelle bitte geistig Scars „Uuuiiii, toooll!“ einsetzen, bittedanke. Manchmal war es auch eine Kuh statt eines Baumes, aber das machte die Sache nur marginal besser.)

Beim Umsteigen mussten wir dann schon mindestens 30 Minuten vorher sprungbereit an der Tür stehen und sobald der Zug hielt diese aufreißen, im gestreckten Galopp zum Anschlusszug rennen, dabei andere Reisende rüde aus dem Weg rempeln, unser Gepäck und schließlich uns selbst hineinwerfen und unsere Sitze suchen. Erst dann senkte sich MutterKatz' Stresslevel von „WIR WERDEN ALLE STERBEN! AAAAH!“ wieder auf „Wir werden vermutlich alle sterben.“ ab.

So ist nun Zweierlei erklärt: warum ich schon in früher Kindheit lernte, mich selbst zu beschäftigen und warum ich Bahnfahren mit einen ausgeprägten Grauen betrachte.
 

 

Die Bahn streikt. Wie sie das halt so tut

Beim letzten Seminar war ich also auch mit der Bahn unterwegs und es war nahezu exakt so, wie ich mir das so vorgestellt hatte. Grauslich, aber machbar. Es hat mich nicht umgebracht und somit meine Abneigung gestärkt. Sagt man nicht so?

Dieses Seminar sollte nun aber während eines Bahnstreiks stattfinden. Ich mißtraue der Fähigkeit der Bahn zur Rechtzeitigkeit nun schon unter normalen Bedingungen, aber dann auch noch während eines Streiks? Soviel Konfetti würde einfach nicht in meinem Koffer passen.

Ich trug meine Bedenken meiner Teamleiterin vor, die wandte sich an einen unserer Chefs, Herrn Potter und lo and behold, es ward entschieden, dass ich AUSNAHMSWEISE(!!!) einen Mietwagen zwecks Fortbewegung bekäme. Ich war entzückt. Denn auch, wenn ich die Hälfte der Strecke im Stau stehen würde, zumindest säße ich gemütlich allein im Auto und niemand würde mir die Luft wegatmen.
 

 

Die Hinreise

Mein Miet(z)wagen. Nein, der musste jetzt sein, seien Sie mal nicht so.

Ein Citroën. Ich meine, diese seltsam verschwurbelten Buchstaben hinten auf der Kofferraumklappe sollten ein C3 bilden, aber Google zeigt mir dann nur 5Türer. Hm. Aber eigentlich ist das auch egal. Der kleine Frosch war recht flitzig und hatte eine gute Beschleunigung. Warum man mit dem Schaltknüppel bis in den Fußraum des Beifahrers schalten musste ging mir zwar nicht auf, aber auch egal. Die Funktionsweise der eingebauten Navigation war recht schnell entschlüsselt, dito alle anderen Funktionen. Da war ich mal recht stolz auf mich, nach ein paar hundert Metern kam ich mit dem Mietzwagen schon richtig gut zurecht.

Der Hinweg zeichnete sich bis Berlin durch einen bemerkenswerten Mangel an Stau aus. Ich hatte meinen Reisekindle schon neben mich gelegt und war fast ein wenig enttäuscht. Auch schienen überraschend wenige Vollhonks unterwegs zu sein. Bis auf einen Motorradfahrer in 3/4-Jeans und T-Shirt, der mit laut röhrendem Motor herumdröhnte. Die Flitzigkeit des Autos ermöglichte ein angenehm schnelles Vorankommen und als ich an so einer Bärenstatue vorbeifuhr, war mein Tank trotzdem noch zur Hälfte gefüllt. Ich war beeindruckt.

Was die Autobahn an Stau vermissen ließ, lieferte Berlin sofort nach. Wir tuckerten vor uns hin und ich stellte fest, dass auch Berliner null Ahnung davon hatten, wie man das Reißverschlussverfahren korrekt anwendet. Eventuell hätte das ein wohliges „Wir Menschen sind halt überall gleich und menschlich und hach!“-Gefühl wecken können, wenn ich nicht so grummelig darüber hätte sein müssen, dass mein Navigationsgerät mir weder anzeigte noch sagte, auf welcher der 25 Parallelspuren ich mich einordnen sollte. Also stand ich grundsätzlich links, wenn es „In 5 Centimetern rechts abbiegen“ näselte und umgekehrt.
Und das im Berliner Verkehr.
Wo mir grundsätzlich alle 2 Minuten jemand in völliger Mißachtung aller Verkehrsregeln oder auch nur des gesunden Menschenverstandes vor die Motorhaube sprang, stolperte, rollte, tollte oder fuhr.
Das nächste Mal beantrage ich einen Hubschrauber.

 

Das Hotel

Das Hotel hatte eine Tiefgarage und ich durfte darin parken. Die Richtungsanweisung „Die Einfahrt ist hinter dem Hotel“ war schon mal ausreichend, ebenjene auch zu finden. Der zusätzliche Hinweis „Und dann steht da kurz vor der Rampe ein unauffälliger grauer Pfosten vor einer gleichgrauen Wand und da müssen sie einen Knopf drücken, damit das Gitter hochgeht.“ wäre mir durchaus willkommen gewesen, aber irgendwann habe ich es dann auch gemerkt. Rückwärts die Steilrampe wieder hoch ist ja kein Thema, ich und das Fröschle sind ja jung, dynamisch und ein bisschen badass. Grunz.

Auto abgestellt, reingelaufen. Es roch nach Schwimmbad und für einen Moment bedauerte ich ein wenig, meinen Badeanzug nicht mitgenommen zu haben. Andererseits hatte ich aber für diesen Tag auch genug von Menschen, egl ob trocken oder nass. Das Hotel ist ein Appartmenthotel, man hat also quasi eine kleine Wohnung und kein typisches Hotelzimmer. Glücklich dort angekommen entlud sich die Anspannung des Tages erst einmal in einem kleinen Hissy Fit.
  • Das Licht ging nicht
  • Das Zimmer war ebenerdig und die Vorhänge durchsichtig
  • Es gab keine Fenster, nur Türen, und ich schlafe ganz gerne bei zumindest gekipptem Fenster, aber die Türen kann ich doch nicht einfach die Nacht über auflassen
  • Die Lüftung brummte wie ein besoffener Grizzly
Nach ein wenig Mimimi, unzweifelhaft auch ein wenig dem Hunger geschuldet, löste sich dann alles in Wohlgefallen auf:
  • Wenn man die Zimmerkarte in den dafür vorgesehenen Slot neben der Tür steckt, geht auch das Licht, ne?
  • Die Vorhänge hinter den durchsichtigen Vorhängen waren wunderbar blickdicht
  • Die Türen ließen sich kippen
  • Die Lüftung ließ sich ausschalten
Alles wieder fluffig. Ich fragte an der Rezeption noch, in welchem Raum mein Seminar stattfinden würde, gönnte mir Zimmerservice, duschte und fiel ins bequeme Bett.

 

Der Seminartag


Ich war recht früh auf den Beinen, zweifelsohne die unterbewusste Irritation darüber, dass nicht alle 2 Minuten irgendwelche Katzen über mich drübertrampelten. Duschen, fertigmachen, packen. Gepäck schon mal ins Auto bringen, Schlüsselkarte abgeben, Zimmerservice bezahlen.

Dann frühstücken. Ich stand mit meiner Frühstückskarte etwas verloren herum, doch da kam eine in die typische Uniform (schwarze Bluse, auberginefarbener Rock bis zum Knie) der gehobenen Hotels gekleidete Frau schnurstracks auf mich zu. Ich hielt ihr die Karte hin und fragte, ob ich ihr die geben müsse. Frau Auberginenrock blickte mich eisig an und meinte, nein, sie arbeite hier nicht, sie sei auch ein Gast.

Whoops.

Ich entschuldige mich natürlich. Glücklicherweise war die Dame später nicht in meinem Seminar. Wir trafen allerdings auf dem Gang noch 2x aufeinander und ich war sehr froh darüber, dass Blicke keinen körperlichen Schaden hervorrufen können.

Ich latschte dann in den Raum, der mir am Vorabend als Veranstaltungsort genannt worden war. Offensichtlich hatte es da am Morgen aber noch eine klitzekleine spontane Änderung gegeben, denn in diesem Raum fand eine Veranstaltung von Frosta statt.

Whoops².

Glücklicherweise waren die Frostianer ebenso cool wie ihre Produkte, wir lachten alle darüber und ich suchte mich zu meinem echten Raum durch. Da war ich dann 1 Stunde zu früh dran und konnte mir den besten Platz raussuchen. \o/

Das Seminar selbst war sehr interessant. Es waren keine Karrierebrötchen in Nadelstreifen vorhanden, sondern eine richtig bunte Mischung unterschiedlicher Charaktere, was ich immer höchst faszinierend finde. Ein Teilnehmer, Typ „Rüdiger Hoffmann als ältlicher Ingenieur verkleidet“, schien sich allerdings unter dem Seminar etwas anderes vorgestellt zu haben und fühlte sich im Laufe des Tages immer sichtbarer fehl am Platze. Das endete damit, dass er 90 Minuten vor Schluss während die Seminarleiterin sprach am Platz sitzend mit seinem Handy telefonierte und sich dann 20 Minuten später entschuldigte, er müsse noch wohin, und so, und ja.

Wir waren da alle nicht wirklich böse drüber. Er schien überhaupt das Prinzip des Internets nicht verstanden zu haben und hielt es wohl ausschließlich für eine Austauschplattform der gebildeten Elite (*grunzlach*), um technische Neuerungen zu veröffentlichen, Forschungen zu betreiben und sich eben gegenseitig die intellektuellen Gonaden zu schaukeln. Es stieß ihm sichtbar auf, dass sich der plebejische Pöbel auch im Netz aufhält, ja igitt.

 Nun ja, der Rest der Gruppe konnte jedenfalls einiges an Wissen und Anregungen aus dem Seminar ziehen und ich werde zusehen, dass ich bei der Dozentin mindestens noch einen weiteren ihrer Kurse belege. Die ist nämlich ausgesprochen großartig und trotz aller fachlichen Wissenvermittlung auch noch unterhaltsam. Sowas ist selten.
 

 

Der Heimweg

In Ermangelung von Hunger fuhr ich dann gleich im Anschluss an den Abschluss los. Der Rest der Gruppe flog, aber das wäre bei mir ja sinnlos. Ich wohne in der fränkischen Steppe, da ist weit und breit kein anständiger Flughafen.

Der Heimweg war auch wieder staufrei, dafür war die Honkdichte größer. Aufgetusste Girlies, die bei 130 auf der Mittelspur herumeierten, weil sie nicht auf die Straße sondern tippend auf ihr Smartphone glotzten, Lastwagen, die 5 Meter vor mir einfach mal auf meine Spur wechselten und Audifahrer, die es nicht ertrugen, dass ich sie mit meinem kleinen Flitzefrosch überholt hatte.

Außerdem stellte ich fest, dass blaue Autos, also richtig blau, nicht dieses silbergraublaumetallic, fast immer Schleicher sind. Kaum sah ich ein blaues Auto auf meiner Spur, wechselte ich auf die entsprechend linkere und lag damit immer richtig. Ein Faszinosum an Rande.

Daheim angekommen stand auch noch ein Rettungswagen vor dem Haus, aber es war wohl doch noch alles gut gegangen. Die alte Dame unter mir wurde aber trotz ihres Wiederwohlbefindens ins Krankenhaus gebracht. Der Kater freute sich darüber, dass ich wieder da war, die Katze guckte ein wenig befremdet und brauchte bis Samstagmorgen, aber dann wollte sie auch wieder schmusen.

 

 

Fazit

Ein großartiges Seminar.
Eine tolle Fahrt und auf jeden Fall besser als Bahnfahren.
Blaue Autos sind Schleicher.

Und wie immer: Alle bekloppt.