Gary
Ich denke, ich werde Gary mal hier etablieren. Ich kann euch diesen wichtigen Teil meines Lebens schließlich nicht vorenthalten, das geht nicht. Zwar habe ich ihn über die Jahre hinweg immer mal so im Vorbeigehen erwähnt, aber das wird seiner schieren Großartigkeit nicht gerecht.
Gary heißt auch eigentlich gar nicht Gary. Aber ich nenne ihn so, weil sein echter Name schrecklich ist und Gary viel besser zu ihm passt. Er sieht nämlich ein bisschen aus wie Gary Sinise. Und wie dieser Typ aus Pretender, Jarod.
Hachja.
Gary ist unser IT-Mensch. Nachdem selbst mein einer Kollege es nicht hinbekommt, sich täglich so viele Viren einzufangen, dass sich für unsere Agentur ein eigener IT-Mensch rentieren würde, ist Gary ein Externer, der vorbeikommt, wenn er gebraucht wird.
Das ist schade, weil ich ihn deswegen nämlich nur selten sehe. Die Chancen, dass ich ihn sehe, respektive, dass er mich auch sieht, steigen aber exorbitant an, wenn ich an diesem Tag den Bad-Hair-Day des Jahrhunderts, mich großflächig bekleckert oder Augenringe bis zum Knie habe. Schnupfennase und Schlunzklamotten sind auch ein guter Köder. Oder eine Großpackung Klopapier in der Hand.
Eine der typischen Begegnungen habe ich vor einiger Zeit mal festgehalten; Gary sollte vorbeikommen und den Agenturserver-Remote-Zugriff auf meinem neuen Rechner einrichten.
Viel Vergnügen.
Heute morgen ziehe ich meinem neuen Rechner also alle Strippen, wickle ihn liebevoll in eine Fleecedecke, damit er draußen bei den Temperaturen nicht friert, und stopfe ihn in eine große Tragetasche. Dann geht's runter, ab ins Auto, hurra zur Arbeit.
Einen Parkplatz bekomme ich natürlich nicht in der Nähe, neeeeiiiiin, das wäre ja zu einfach. Ich parke notgedrungen hinter dem Gebüsch jenseits der Kuhweide links neben der Schule über den großen Fluss hinter der Sahel-Zone, also GanzWeitWeg™ und schleppe meinen scheißschweren Rechner über Stock und Stein und Hauptverkehrsstraßen.
In der Agentur angekommen (natürlich ist mein Büro ganz oben direkt unterm Dach) schleppe ich mich mit dem Rechner sämtliche Treppen (+ eine Wendeltreppe) hoch. Puh!
Dort angekommen gibt es erst mal Tee, das brauche ich jetzt.
Dann möchte ich den PC aufstellen und anschließen, der ist ja schließlich nicht nur zum Schpass hier. Auf dem Schreibtisch vor meinem steht ein Monitor, in unserem Hardwaresammelbecken gibt es viele Mäuse und Tastaturen. Ich war der Meinung, das sollte reichen, und habe deswegen nur den nackten Rechner ohne irgendwelches Gedöns mitgenommen.
Ich stelle ihn auf und stelle fest: Oh. Wenigstens das Stromkabel hätte ich vielleicht ...?
Mist! Wildes Herumgewühle im Hardwaregrab. Nach gefühlten 5 Trillionen seltsamer Kabel fällt mir ein Stromkabel in die Hände. Erleichterung macht sich breit.
Ich schließe den PC mit dem Stromkabel an und stöpsele auch gleich noch das Monitorkabel ein. Dabei fällt mir auf, dass der Monitor nur ein Kabel hinten raushängen hat. Haben Monitore nicht eigentlich zwei, eines für den PC, eines ... für ... den ... Strom?
Haben sie. Normalerweise. Hat der aber nicht.
Suuuuper! Der Monitor steht da rum, damit er im Falle eines Falles benutzt werden kann, und dann hat irgendein Gehirnakrobat ihn quasi kastriert? Das Stromkabel gezogen? Warum? WARUM?
Ich wende mich dem Hardwaregrab zu. In Gedanken erwäge ich schon räuberische Übergriffe auf den Rechner meines Kollegen F., der heute den ganzen Tag außer Haus zu tun hat. Ich könnte der Kollegin R., die F. gegenüber sitzt, ein süßes Teilchen in die Ecke werfen, dann ist sie beschäftigt und ich könnte F.'s Rechner unbemerkt ausschlachten.
Das Hardwaregrab bietet dann auch kein Stromkabel mehr, doch mir ist noch eine Idee gekommen. In diesem Rollcontainer unter dem zweiten Schreibtisch, da wird doch auch gerne mal technisches Zeugs untergebracht, das man eventuell irgendwann mal brauchen könnte.
Schubladen durchwühlt. Stromkabel gefunden! Ich stehe in einem hellen Lichtstrahl, Engelschöre erklingen und kleine, dicke, rosige Cherubim umschwirren mich. Halleluja!
Ich schließe den Monitor an. Er funktioniert. Ich hatte schon meine Zweifel.
Dann die Maus. Die Mäuse im Hardwareschränkchen sind noch alles olle PS/2-Dinger. Ich leihe mir die Maus vom Reiselaptop, der wird momentan ohnehin nicht gebraucht.
Nun fehlt nur noch die Tastatur. Die Tastaturen im Hardwaregrab sind alle noch, wir können es fast erahnen, ja. Alles, nur kein USB. Wie alt ist dieser §$%* hier eigentlich? Planen wir ein Computerzubehörmuseum, von dem ich nichts weiß?
Ich kaue zur Beruhigung auf einem Kabel mit seltsamen Anschlüssen herum.
Tastatur. Ich brauche eine Tastatur. Hm. Schneller Blick nach links, schneller Blick nach rechts. Chef ist nicht da. Ein paar schnelle Schritte, dann bin ich auch schon an seinem Platz. Er wird sie schon nicht gleich brauchen, seine USB-Tastatur.
*yoink*
Tastatur wird eingestöpselt. Maus wird eingestöpselt. PC wird gestartet. Nach unerträglich langen, bangen Minuten des Wartens – ja! Das ist mein Desktop!
Funktioniert alles? Ich teste. Die Maus spinnt herum, liegt wahrscheinlich an der Hochglanzoberfäche des Schreibtischs. Glücklicherweise habe ich noch ein völlig abgeranztes Whiskas©-Mousepad herumliegen. Uff.
Tastatur geht.
Jetzt noch die Auflösung angepasst, dann ist alles fertig. Besonders ich.
Meine Herren! Das mache ich aber so bald nicht wieder. Kannste vergess! Kannste fei voll vergess!
Es hat sich aber gelohnt. Gary war vom blauen LED-Blitzen meines Rechners angemessen beeindruckt und konnte den Zugang zügig einrichten. Das hat zwar seinen Aufenthalt in meiner Nähe zeitlich etwas limitiert, aber wenigstens hält er mich jetzt wahrscheinlich für kompetent.
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