Die postmoderne Sauertöpfigkeit
Es ist momentan schwer in Mode, Weihnachten schrecklich zu finden, so wie es vor ein paar Jahren schwer in Mode war, bi zu sein oder zumindest metrosexuell. In sämtlichen Pubs, Foren und an jeder Strassenecke erklingt das leidende Gestöhne der Weihnachtsabstinenzler. Ach, sie feiern ja nicht. Sie schmücken nicht mal. Neenee. Ist ja alles ganz schrecklich! Wie schön, wenn man nach Hause kommt, und sich ins kahle, dunkle, kalte Wohnzimmer setzen kann, um ein wenig Zwölftonmusik zu hören, hachja. Kein Weihnachtsschmuck, keine Weihnachtslieder, wie wunderbar. Die neue Coolness, von wirklich gar nichts mehr beeindruckt zu sein, hat die Grenzen ihres Vorkommens ausschließlich in der Pubertät gesprengt und nun auch das Erwachsenenalter erreicht. Lethargischer Negativismus, das neue Lebensgefühl.
Ich habe ja den Verdacht, dass es das Resultat unserer Feiergesellschaft ist, die permanent von einer Party in die nächste fällt. Früher waren Ostern, Weihnachten und Konsorten schöne Feiern, die man allgemein genoss, heute feiern wir eigentlich durch das ganze Jahr, und sei es den siebten Jahrestag der Errichtung des Outhouse-Aborts der örtlichen Disse. Jeder Tag ein Event, jedes Wochenende vollgestopft mit Feuerwerk, Festakten und natürlich FUN FUN FUN!
Natürlich kann selbst ich als weltfremder Schöngeist nicht leugnen, dass Handel und Industrie ihr möglichstes dafür tun, uns Weihnachten (und überhaupt alle möglichen Feiertage, notfalls auch ausländische) zu verderben. Jingle Bells und Lebkuchen Ende August, Last Christmas und Zimtsterne im September und ab Anfang Oktober das gesamte Programm gnadenlos bis in die erste Woche im Dezember. Dann ist alles ausverkauft und nachbestellt wird auch nix mehr, so! Schließlich werden grade die ersten Ostereier herangekarrt, die brauchen schließlich auch Platz, ne?
Ich denke, es kommt immer darauf an, was man daraus macht. (Achwas?) Ich mag Weihnachten, schmücke innerhalb meiner Möglichkeiten möglichst katzensicher, mag Weihnachtsmärkte, mag die Lichter und ich mag es, frei zu haben. Ich verweigere mich aber auch größtenteils dem allgemeinen medieninduzierten Weihnachtswahn. Geschenke gibt's nur kleine, größtenteils nicht personalisierte. Eingekauft wird vernünftig und nicht, als würde man die nächsten drei Monate ohne tegut auf einer einsamen Eismeerinsel verbringen und sobald das Radio „Last Christmas“ dudelt, wird umgeschaltet. Ha!
Natürlich darf jeder entscheiden, ob und wie er Weihnachten feiert. Nur wird die Verweigerung von manchen Weihnachtsmuffeln penetrant mit einem solchen Stolz hinausposaunt dass sich mir der Verdacht aufdrängt, hier werde nicht nach Überzeugung sondern nach Trend gehandelt. In dem Fall fände ich es höflicher, wenn man sein Mäntelchen wieder aus dem Wind nimmt, die Goschn zuklappt und einfach seinen Stiefel durchzieht.
Aber ohne Publikum macht das wahnsinnig unkonventionelle Nichtfeiern vermutlich nur halb soviel Spaß.
3 Kommentare:
Meine Mutter und ich haben die Schwiegereltern meines Bruders dieses Jahr schon übel vor den Kopf gestoßen, indem wir gesagt haben, dass wir am ersten Weihnachtstag erst zum Abendessen zu deren Weihnachts/Geburtstagsfeier kommen. Muttern und mir geht das seit Jahren auf den Geist, den kompletten ersten Weihnachtstag dort zuzubringen, nichts Schönes und Besinnliches tun zu können und dann abends entnervt aufzubrechen. Daher ziehen wir uns dieses Jahr in die (sehr enge :ugly:) Familie zurück; so genommen gehören wir ja auch nicht zur unmittelbaren Familie, da ist es ja auch nicht nötig schon so früh da aufzuschlagen.
Was das Weihnachtsmuffeln an sich angeht, es kommt eben darauf an, was man daraus macht. Meine Mutter hat mir gestern schon erzählt, dass sie es von zu Hause eben als sehr ruhiges und besinnliches Fest kennt, ohne Hin- und Herhetzen. Und so wollen wir es dieses Jahr auch versuchen zu begehen.
Wie der versierte Eldschäi-er sagt: THIS THIS THIS. Danke für diesen Eintrag, so sehe ich das auch. :-)
Gnihihi, danke für das Bild mit der Zwölftonmusik. Ich bin quite amused. Zwölftonmusik. Tsihihi. Und dazu dann ein bisschen Brecht vorlesen. In schwarz-weiß.
Und Dank auch für den Begriff des lethargischen Negativismus. Ich werd ihn sicher noch brauchen. :grin:
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