Freitag, 18. Januar 2008

„ ... soll ich Dir einen Stuhl rausstellen?“

MutterKatz und ihre Katzen zu beobachten ist immer sehr interessant. Unweigerlich vergleiche ich ihre Art, mit den Miezen umzugehen, mit ihrer damaligen Art und Weise, mich großzuziehen. Ich muß sagen, das erklärt so einiges.

Anyhoo, kurz vor Weihnachten ereignete es sich aber, daß ich mal wieder kurz in ihren heiligen Hallen weilte und mir auffiel, daß die Semmel ihr rechtes Pfötchen beim Sitzen hochhielt. An und für sich nichts Aufsehenerregendes, aber es kam mir etwas komisch vor und so fragte ich MutterKatz, ob ihr das schon aufgefallen wäre. Nein, war es nicht (wenig überraschend, wie ich anmerken muß).

Durch meine Beobachtung sensibilisiert beobachtete MutterKatz die Semmel von nun an zumindest etwas genauer, und kaum vier Wochen später entschloss sie sich dazu, die teilweise auf drei Beinen herumlaufende Katze dann doch mal beim TA vorzustellen. Meine Mutter, eine Frau blitzschneller Entscheidungen.

Letzten Dienstag waren wir mit dem Semmelchen dann beim Veterinär.

„Aber gebrochen kann es nicht sein, oder? Weil sie ja manchmal doch auftritt.“
„Unwahrscheinlich.“


Ich muß MutterKatz zu Tierartzterminen immer begleiten, weil sie viel zu aufgeregt ist, um irgendwem zuzuhören. Außerdem muß sie jedem erzählen, wie unglaublich stressig es für sie war, die Katze in den Korb zu bekommen, da hat sie nun wirklich keine Kapazitäten mehr frei, sich so unwichtige Dinge wie Medikationsgabe und Diagnose zu merken. Oder der Ärztin zuzuhören. Ist ja auch unglaublich wichtig, daß sie vom Lieblingsfutter des Semmelchens erzählt, das diese unglaublich gerne frisst.
MutterKatz halt.

Die nette Doktorin untersuchte also das zitternde Fellhäufchen und konnte nichts Ungewöhnliches feststellen. Der Verdacht fiel auf eine Zerrung, als Therapie wurde ein leichtes Schmerzmittel gespritzt. Mittwoch sollte dieses Mittel nochmal verabreicht und Donnerstag die Katze erneut vorgestellt werden.

Nachdem MutterKatz bei der Frage, wie es mit der Tablettenverabreichung aussähe (immerhin mußte die Frage nur dreimal gestellt werden, bis sie bei ihr ankam), in halbe Wehklagen verfiel, bot ich an, daß ich auch am nächsten Tag vorbeikommen und der Semmel eine Spritze geben könnte. Bin ja eine brave Tochter. Die Spritze wurde aufgezogen und mitgegeben, wunderbar.

„Aber gebrochen kann es nicht sein, oder? Weil sie ja manchmal doch auftritt.“
„Unwahrscheinlich.“


Nun muß der unbedarfte Zuleser wissen, daß die Wohnung von MutterKatz nicht nur vollgestopft sondern auch durch die Möbelstellungen sehr winkelig ist. Tausende an wunderbaren Verstecken bieten sich für die Katze, die eben nicht eingefangen, gespritzt oder gar gefunden werden will.

Dieses wohl wissend folgte ich am Mittwoch Abend meiner Mutter mit gemischten Gefühlen zu ihrer Wohnung.

„Aber gebrochen kann es nicht sein, oder? Weil sie ja manchmal doch auftritt.“
„Unwahrscheinlich.“


Generalstabsmäßig wurde die Überwältigung der Semmel geplant. MutterKatz würde als verdeckte Ermittlerin in die Wohnung eindringen und den anwesenden Katzen durch alltägliches Verhalten vorgaukeln, daß alles in Ordnung wäre. Dann würde sie durch das Schließen der Schlaf- und Wohnzimmertüren der Semmel den Fluchtweg abschneiden und mich in die Wohnung schleusen, wo wir dann gemeinsam die Semmel in die Ecke treiben und ihr ihre Medikation verabreichen würden.

Soweit der Plan. Wir fuhren mit dem Aufzug hoch und besprachen letzte Einzelheiten.

„Aber gebrochen kann es nicht sein, oder? Weil sie ja manchmal doch auftritt.“
„Nahain! Unwahrscheinlich.“
„Soll ich Dir einen Stuhl rausstellen?“
„Ha? Zum spritzen? Nee, da stehe ich besser.“
„Nein, ich meine, für den Gang, wenn Du draußen wartest.“
:schiel: „Nee, lass mal. Sooo lange wird's ja wohl nicht dauern.“
„Oh, das glaube mal nicht!“
„Deh.“


Ich stehe also im Gang und lausche MutterKatz, wie sie mit schriller, sich überschlagender Stimme versucht, den Katzen Normalität vorzugaukeln. Deh. Ich verlagere das Gewicht auf das andere Bein und lehne mich gegen die Wand. Ja, das kann dann wohl doch dauern.

Hinter mir öffnet sich die Aufzugstür und Härbärt, der neugierige Nachbar, kommt heraus. Er und seine Frau haben offensichtlich nichts anderes zu tun, als den lieben langen Tag am Fenster zu hängen und alles und jeden genau zu beobachten. Das zeigt mal wieder, wie wichtig es ist, zumindest ein Hobby zu haben. Uh!

Er fragt interessiert, ob ich nicht reinkäme. Ich lächle süß und erkläre in Kurzfassung die Lage der Situation. Er ist zufrieden und geht in seine Wohnung, zweifelsohne, um mit seiner Frau diese neuen Situationen in die Bewohnerakte meiner Mutter einzutragen.

Ich verlagere nochmal das Gewicht und warte weiter. Der Gang ist schweinchenrosa gestrichen, was sich formidabel mit dem Blumengesteck der Nachbarin gegenüber beißt: orange und rot. Ich starre stattdessen lieber den Löschschlauchkasten an und überdenke mein Leben.

Der Nachbar von gegenüber (der mit dem Beißkranz vor der Tür) kommt nach Hause und sieht mich irritiert an. Netterweise verzichtet er auf Konversation. Ich lächle unverbindlich und starre weiter den Löschschlauch an. Also, den Kasten.

Nach gefühlten 52 Jahren öffnet MutterKatz endlich die Tür und erzählt mir lang und breit die Geschichte der Ergreifung der Semmel. Kurzfassung: Die Katzen waren nicht überzeugt (well, DUH!), die Semmel war unterm Bett, Mutter versuchte alles, nichts funktionierte, dann kam Mutter mit Besen, Semmel rannte in den Schrank, dort konnte sie ergriffen und in die Küche verfrachtet werden.

Oh mei.

Der eigentliche Pieks war nach zwei Sekunden vorbei und die Maus durfte zurück ins Schlafzimmer. Halleluja!

Trotzdem habe ich beim gestrigen TA-Besuch („Aber gebrochen kann es nicht sein, oder? Weil sie ja manchmal doch auftritt.“
„Unwahrscheinlich.“
) angeregt, daß MutterKatz dann doch lieber Tabletten mitbekommt. Falls das Semmelchen die frisst, ist das nämlich für alle Beteiligten deutlich weniger chaotisch und verstörend. Als Backup gab's dann auch noch eine Spritze mit, falls das mit den Tabletten nicht klappen sollte, aber ich bin da eigentlich ganz zuversichtlich. Wenn MutterKatz die Tabletten vorher mindestens einen Tag in einer Tupperdose mit Trockenfutter einlegt, futtert das Semmelchen die eigentlich ganz problemlos.

Ansonsten muß ich morgen früh wieder ran. So als brave Tochter. Hat sie mir heute morgen eingebläut. Kurz vor:
„Aber gebrochen kann es nicht sein, oder? Weil sie ja manchmal doch auftritt.“
„MUTTER! LASS GUT SEIN JETZT!“


3 Kommentare:

Centaurea hat gesagt…

:roflol:

Und: Aaawww, armes Fellknäuel. :( Na, Hauptsache, es ist nichts gebrochen...

Anonym hat gesagt…

Hach, die Freuden von Katzenbesi-- äh, Dosenöffnern. Felix hatte das neulich auch, aber es war nur gezerrt. Normalerweise springen alte Herren ja auch nicht von Bäumen, da würde mir auch das Bein weh tun. :-)

Anonym hat gesagt…

Vollkommen aus dem Zusammenhang gerissen:

"Normalerweise springen alte Herren ja auch nicht von Bäumen"

:rofl: