Sonntag, 14. Januar 2007

Kinder, wie die Zeit vergeht


Die Zeiten ändern sich, und mit Ihnen wir uns selbst.

Früher hing ich stundenlang am Fernseher, stellte mir ein Tagesprogramm von Shows, Serien und Filmen zusammen, das nahezu lückenlos war. Ich nahm Serien auf Kassette auf. Nein, nicht auf Videokassette. Ich hockte mucksmäuschenstill mit dem ganz normalen Kassettenrekorder vor dem Fernseher und nahm alles auf. Ich wollte die grandiose, unbegreifliche Großartigkeit, die diese Serien für mich bedeuteten (allen voran Raumschiff Enterprise, MacGyver und Knight Rider), bewahren. Der Kassettenrecoder stellte lange Zeit für mich die einzige Möglichkeit dafür dar, denn MutterKatz war schon mit der Bedienung des Fernsehers alleine überfordert und ich hatte erst nach meinem Auszug meinen ersten Videorecorder.

Aber darum geht es ja nicht. Ich saß also vor dem Fernseher im abgedunkelten Wohnzimmer, denn kein Lichtstrahl sollte auf den Fernseher fallen und meine Stunde in einer anderen Welt stören. MutterKatz durfte das Zimmer nicht betreten. Erstens, weil sie dann Lärm machte, der natürlich auch vom laufenden Rekorder aufgenommen worden wäre, aber hauptsächlich, weil sie den Zauber gebrochen hätte, den die Serien ausübten und dem ich ich mich widerstandslos hingab.
„Hast Du Deine Hausaufgaben schon gemacht?“ verträgt sich eben nicht mit fremden Welten und gefährlichen Kreaturen auf ebendiesen. Fremde und gefährliche Kreaturen machen keine Hausaufgaben. Vielleicht sind sie deswegen so frustriert und greifen ständig die harmlose und wohlwollende Crew der Enterprise an. Wer weiß das schon.

Meine Kassetten hörte ich mir dann hin und wieder an, schloß die Augen und ließ die Bilder nochmal vor meinem inneren Augen vorüberziehen. Schee war's.

Später dann konnte ich, ein Triumph meiner persönlichen Technikausstattung, Serien auf Video aufnehmen. Was ich tat. Am Ende meiner Archivistenkarriere hatte ich über 7 große Müllsäcke voller Videos angesammelt. Diese persönliche, etwas ungewöhnliche Mengenangabe mag einen dezenten Hinweis darauf geben, wie diese Sammlung letztendlich endete.

In einigen der Serien kamen hin und wieder auch bestimmte Songs vor, bei denen ich bezweifelte, daß sie eigens für die Serie geschrieben worden waren. Was hätte ich also früher tun können, wenn ich dieses Lied nicht nur auf Kassette oder Video sondern so richtig hätte haben wollen? Versuchen, den Titel herauszufinden? Auf „The best of TV“ zu warten und zu hoffen, daß es da drauf ist? (Waren dann doch immer nur die Titelmelodien.) Ins Musikgeschäft zu wackeln und nachzufragen? Hu, mehr als komische Blicke konnte man damals nicht ernten. Wenn es also nicht zufällig ein superbekanntes Lied war, war man ganz schön angeschmiert.

So versah ich meine Videos mit kleinen, roten Anmerkungen, damit ich wußte, dies ist die Folge, in der dieser Song vorkommt. Falls ich ihn mir mal wieder anhören wollte. Von der Handlung zerstückelt, aber immerhin.
Eines der Rätsel aus dieser Zeit ist noch immer ein Lied, das in einer Folge von „Due South“ im Hintergrund lief. Der Mounty versuchte in der Folge den Mord an einer Chinesin aufzuklären (oder so). Ich erinnere mich daran, daß er mit ihren Eltern sprach, irgendwo ging es auch noch um eine Schatulle. Dann spielte dieses Lied im Hintergrund. Ich liebte es, konnte aber nicht herausfinden, wie es hieß, wer es sang und wo ich es herbekommen könnte. So fristet es noch immer, geheimnisvoll und mysteriös, sein Dasein als „Chinasong“ auf einer alten Videokassette von mir.

Es gibt manchmal einfach Lieder, die einen direkt treffen.

Zeitraffer. Ort: Hier. Zeit: Jetzt.
FrauKatz guckt sich die ersten Folgen einer (für sie) neuen Serie, Dead like me, an. Am Ende der Serie spielt im Hintergrund ein Lied. Der Text ist nahezu unverständlich, nur diverse „Boom Bah“s lassen sich erkennen. Ich verliebe mich sofort in das Lied.
Die Ausgangssituation ist dieselbe wie vor etlichen Jahren, meine Vorgehensweise nicht mehr.
Ich sehe nach, wie die Folge heißt. Ich gehe ins Internet, biege schräglinks ab und gebe bei Google „episode guide "dead like me" "reaping havoc" song“ ein und scanne die Ergebnisse. Auf Seite 2 finde ich einen vielversprechenden Eintrag in einem Forum, klicke ihn an. Was steht da, gepostet von Tabitha?


NOTE: The episode marks the last appearence of Rebecca Gayheart on the show.
Roxy, Joy and Reggie didn't appeared in this episode.
Music: The music played in the end of the episode is "Boom Boom Ba" by Metisse (featured among other places on "The Next Best Thing" soundtrack)


Ich beschloss, Tabitha toll zu finden und sie in den Rang einer Demigottheit zu erheben, unbekannterweise.
Jetzt hatte ich einen Namen und einen Titel. Fluppdiwupp zu iTunes gewechselt, Titel eingegeben. Ergebnisse nach Interpret geordnet, Metisse gefunden. In das Lied reingehört. Festgestellt, daß es eben jenes Lied aus der Serie ist. Lied gekauft und heruntergeladen. Jetzt läuft es in Dauerschleife und ich bin glücklich.

Das Ganze hat vielleicht 10 Minuten gedauert, von der Feststellung „Das will ich! Das brauche ich! Ich kann ohne nicht mehr leben, es würde mir das Herz herausreißen!“ bis hin zu „Woohoo! Das spiele ich jetzt in Dauerschleife. *einstell*

Ja, die Zeiten haben sich wirklich geändert. Jetzt ist es leicht, das zu bekommen, was man möchte. Zumindest in einigen Bereichen.
Ob das jetzt grundsätzlich gut ist, sei dahingestellt. Mich zumindest hat eine einen Abend lang ziemlich glücklich gemacht, und das ist ja auch schon was.

Gute Nacht, gute Nacht da draußen, was auch immer ihr seid.

2 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

So ging es mir auch vor einer Weile. Die Serie war "Ein Mountie in Chicago" und alles, was ich von dem Lied verstanden habe, war "Halifax". Innerhalb von 10 Minuten hatte ich zumindest eine Hörprobe des Liedes (anderer Interpret, Folk Song halt) auf dem PC. Cantaria sei dank (ohne den Mountie hätte ich Cantaria nie entdeckt. Danke, Mountie.)

FrauKatz hat gesagt…

Ach, bei Dir war's auch der Mountie? :grin:
Ich sollte die Videocassette raussuchen und mich auf die Suche nach dem heiligen Lied machen. Ausgerüstet mit meinem heutigen Wissen, der ungeheuren Weisheit und der ganzen Technik könnte ich es jetzt wahrscheinlich finden.

Ach, ich fütter' erst mal die Katzen. :ugly: