Dem Bösen seine Nachbarin (der Tochter von der Cousine zweiten Grades des Schwippschwagers ...)
Meine Nachbarn wollen die Weltherrschaft an sich reißen. Ja. Es gibt keine andere Erklärung mehr für die mysteriösen Vorgänge auf unserem Hausflur.
Äußerlich tarnen sie sich als normale alleinerziehende Mutter, ca. 14jährige Tochter, Muttis Freund und die obligat sporadisch auftauchenden Familienmitglieder. Die ersten Wochen nach dem Einzug war auch noch nichts zu merken, denn Das Böse ist raffiniert. Das perfide daran: sie gehen so langsam vor, daß nur ein scharfer und überlegener Geist wie der meine ihren Plan durchschauen kann!
Sie schlichen sich in unser Vertrauen ein, und als wir nichts Schlimmes ahnten, schlugen sie zu. Neben der Haustür tauchte auf einmal ein Blumengebinde auf. Zuerst wurde es von uns, der restlichen Hausgemeinschaft, noch mißtrauisch beäugt. Nach ein, zwei oder drei Wochen aber hatte man sich daran gewöhnt, und so schlimm war es ja auch nicht.
Das war der Zeitpunkt, an dem Sie wieder zuschlugen. Auf dem Treppenabsatz zum Dachboden erschien wie aus dem Nichts ein massiger Blumenpott mit einer breitblätterigen Grünpflanze.
Das wurde schon mit mehr Skepsis von Seiten der Hausgemeinschaft aufgenommen. Das waren immerhin schon zwei Blumen auf einmal. Dieses Mal dauerte es fünf Wochen, bis sich eine allgemeine Akzeptanz einstellte. Immerhin, diese Pflanze stand ja nur auf dem Treppenabsatz zum Dachboden, da muß man ja nicht ständig vorbei.
Das Böse lachte sich ins Fäustchen und beschloss, auf einer anderen Front vorzurücken.
In Folge begann es, seine Straßenschuhe in lockerer Anordnung vor der Haustür zu lagern. Die Hausgemeinschaft gab ihren geistigen Widerstand langsam erschöpft auf, diente das doch der Wohnungshygiene und sei eigentlich ja nicht verwerflich.
Die plötzlich sinnlos auf dem unteren Treppenabsatz auftauchende Mickymaus-Fußmatte wurde schnell in die gleiche Kategorie eingeordnet. Eigentlich gehe es hier doch nur um Hygiene, und Hygiene sei gut, das sagt uns schon die Werbung.
Die mannshohe Palme in einem badewannengroßen Pott auf dem Treppenabsatz zwischen dem ersten Stock und dem Erdgeschoss wurde nur noch mit einem resignierten Stöhnen bedacht. Wahrscheinlich war die ohnehin schon immer dagewesen, man hatte sie nur nie bemerkt.
Die Hausgemeinschaft kapitulierte. Das Böse triumphierte. Es würde sich immer weiter ausbreiten, ganz langsam, sich aus unserem Hausflur über die Stadt ergießen, den Landkreis, das Bundesland und schließlich die ganze Welt.
[...]
Vor zwei Tagen ist ein Schuhregal zwischen meiner und deren Haustür aufgetaucht.
Jetzt habe ich Angst.